Maria Weissenböck

UKRAINISCH | BELARUSSISCH | RUSSISCH

Meine Begeisterung gilt der zeitgenössischen ukrainischen Literatur. Seit 2004 übersetze ich aus dem Ukrainischen, Belarussischen und Russischen - Prosa, Lyrik, fallweise auch Sach- und Fachtexte, u.a. für die Verlage Suhrkamp, Haymon, KiWi und Residenz.
2004 gewann ich den Übersetzerpreis der Stadt Wien; ich war Stipendiatin verschiedener Übersetzerwerkstätten, dolmetsche im Kulturbereich und organisiere bzw. moderiere Lesungen meiner AutorInnen.

Biobibliographie

Kontakt

maria.weissenboeck[at]literatur-uebersetzen.wien
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Ljubko Deresch | Die Anbetung der Eidechse | Roman
Übersetzung aus dem Ukrainischen | Suhrkamp Verlag | 2006

Sommer 1993 im Karpatenstädtchen Midni Buky. Mischka hockt in der Datscha seiner Eltern, liest Edgar Allan Poe, hört Pink Floyd und ist in Dzwinka verliebt. Mit Hippie, seinem besten Freund, bilden sie einen eigenen Kosmos und schotten sich von der Außenwelt ab. Als »Brüder und Schwestern im Untergrund « ziehen sie den Haß von Fedja und seiner Proltruppe auf sich. Als die Feindseligkeiten in Terror ausarten, schmieden die drei einen Mordplan. Fedja muß sterben …

Leseprobe

Ljubko Deresch | Die Anbetung der Eidechse | Roman
Übersetzung aus dem Ukrainischen | Suhrkamp Verlag | 2006

Erstes Kapitel

1.

Alles wird gut, beruhigte ich mich.

Alles war auch wirklich gut. Es war eine Viertelstunde vergangen, seit ich mit ihm allein war; noch einmal so lange – und sie kommen zurück.

Ich betrachtete sein

(obwohl im orangen Stil)

weißes Hemd mit einem kleinen Alligator auf der Brust. Das zum Mund kriechende Blut auf seiner Oberlippe. Kein schlechtes »Klagelied der Ukraine«.

Alles war gut auf dieser orangen Welt, bis er den Mund aufriß und zu sprechen begann.

In dem Moment nahmen die Unannehmlichkeiten ihren Anfang.

2.

Ich liege auf der Veranda – sie ist hell, an drei Seiten mit Fenstern umgeben – und lausche dem Rauschen des Regens. Eine verglaste Veranda, erfüllt mit grauem Gewitterlicht, Regenschlieren an den Fenstern, ein altes (uraltes) Sofa mit einem einstmals roten Überzug. Ein betagter Kassettenrekorder leiert leise alte Nummern von Pink Floyd, die Pink-Floyd-Kassetten sind beinahe ordentlich an der Wand gestapelt. Den »Jupiter« habe ich, um besser zu hören, auf den nicht mehr taufrischen, vom Schicksal gezeichneten und von meinem Hintern malträtierten Hocker gestellt. Außer dem Sofa, dem Kassettenrekorder und einem kleinen Tisch mit ein paar Stühlen gibt es auf der Veranda eigentlich nichts. Und die wackeligen Büchertürme nehme ich gar nicht mehr wahr. Der Tisch in der Ecke ist alt. Mit Karton unter den Füßen und einer »Erika«-Schreibmaschine auf dem Rücken. Die Tischplatte zählt zehn braune Teetassenringe. Die Tasse hat einen Sprung, sie tropft. Ganz leicht.

Die Dinge gehen kaputt, geraten aus den Fugen und beginnen zu tanzen. Das ist typisch für Midni Buky. Hier beugt sich alles diesem Gesetz.